Rekonstruktion der Scherenburg um 1470
Rekonstruktion: Darius Lenz
Bildrechte: Burglandschaft
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Zum Hintergrund der Rekonstruktion

Obwohl die Scherenburg eine Ruine ist, thront sie mit zeitloser Erhabenheit über der Stadt wie eine steinerne Krone. Dem romantischen Auge fehlt dort oben nichts: hohe Mauern, mächtiger Bergfried, beherrschender Blick über das Maintal. Doch der einsam aufragende Treppengiebel, Mauerstümpfe und etliche unerreichbare Fenster lassen es vermuten: Da war mal mehr. Viel mehr!

Die Scherenburg ist – wenig überraschend – nicht als riesige Panoramaterrasse gebaut worden. Wie in fast jeder Burg drängten sich auch innerhalb ihrer Mauern einst Wohn-, Wirtschafts-, Wehr- und Repräsentationsgebäude auf engstem Raum. Aus dem Boden ragende Fundamente sowie Fenster, Nischen und Erker in der Ringmauer geben viele Hinweise auf das einstige Aussehen der Scherenburg. Aus Schriftquellen, historischen Abbildungen und Fundstücken lassen sich weitere Details ableiten.

  • Wohnbau und Keller
    Über dem noch erhaltenen Kellergewölbe muss ein großes zweistöckiges Gebäude gestanden haben. Der noch stehende Treppengiebel hatte ein Gegenstück auf der gegenüberliegenden Seite. Mit ca. 9 x 32 Meter Grundfläche war das Gebäude mit Abstand das größte der Burg.
  • Küche
    Direkt neben dem Treppengiebel verraten mehrere Fenster, dass hier ein weiterer Bau stand. Ein Becken mit Ausfluss deutet auf eine Küche hin, was direkt neben dem Haupt-/Wohngebäude Sinn macht und üblich ist.
  • Ringmauer
    Zwischen Treppengiebel und Bergfried hat sich entlang der Ringmauer ein Rest des Wehrgangs – teilweise auf Stichbögen – erhalten. An der Nordecke ragt ein Wehrerker nach außen über die Mauer hinaus. Darunter finden sich auf der Innenseite der Mauer die Auflager der Schleppdächer kleiner Schuppen.
  • Bergfried
    Dem rund 25 Meter hoch erhaltenen Bergfried ist nur wenig Substanz verloren gegangen – eigentlich nur etwas Putz und die hölzernen Bauteile. Der Zugang im Untergeschoss ist nicht original, der ursprüngliche Eingang lag in 12 Meter Höhe. Im Wehgeschoss lief ein hölzerner Wehrgang um die sechs großen Öffnungen herum. Der Turm besaß ein Dach.
  • Tor und Südbau
    Südlich des Bergfrieds und des direkt daneben liegenden Tors wird ein weiteres Gebäude von seinen Fundamentmauern und einer darüber errichtete Holzhütte markiert. Angesichts des Erkers im Obergeschoss muss es zweigeschossig gewesen sein. Die relativ dünnen Fundamente deuten dabei eher auf einen Fachwerkbau.

Die Struktur der Scherenburg lässt sich somit immer noch recht gut erfassen. Wie die nicht mehr erhaltenen Gebäude und Bauteile im Detail aussahen, ist allerdings völlig unbekannt und lässt sich nur mittels Vergleichsbeispielen erahnen. Auf solchen Vergleichen basiert unsere Rekonstruktion der Scherenburg, die in Zusammenarbeit mit der Firma Archimedix entstanden ist.

Das 3D-Modell setzt sich aus einzelnen Elementen zusammen, die auf Grundlage des erhaltenen Bestands von zeitgleichen Gebäuden und von Bildquellen abgeleitet sind. Die Auswahl und Zusammenstellung dieser Einzelelemente ist ein Produkt von Kenntnisstand, Erfahrung und Phantasie der Beteiligten. Die Darstellungen geben folglich nicht die historische Realität wider. Rekonstruktionen können generell immer nur eine Annäherung sein.

‘So könnte es ausgesehen haben.’

Beteiligte:

  • Dipl.-Ing. Reinhard Munzel – Archimedix GmbH
  • Dr. Darius Lenz – Burglandschaft
  • David Enders M.A. – Burglandschaft
  • Thomas Steinmetz – Burgenforscher
  • Bruno Scheider – Bezirksheimatpfleger Altkreis Gemünden
Detailinformationen zur Rekonstruktion

Ringmauer & Tor

  • Lage/Zustand: größtenteils erhalten
  • Höhe: auf Ostseite (Angriffsseite) Wehrgang in ca. 10 m Höhe, zzgl. Brustwehr; nach Westen & Süden Höhe abnehmend (tragende Stichbögen des Wehrgangs bei Treppengiebel & Tor erhalten)
  • in Mauerstärke integriert bzw. auf Stichbögen ruhend; Brustwehr als durchgängige Wand mit einfachen Schlitzscharten in regelmäßigen Abständen (4-5 m); Wehrerker an Nordostecke auf drei Konsolen
  • einfaches Mauertor im Südosten, Spitzbogengewände außen erhalten, dahinterliegender Stichbogen nach 1920 ersetzt aber authentisch, zwei Torflügel in Angelsteinen, inwändiger Laufkanal für Verschlussriegel, Schwellenhöhe ursprünglich vmtl. niedriger als heute

Graben

  • Lage/Zustand: außen komplett umlaufender Graben; im Norden nur teilweise verfüllt, Halsgraben im Osten komplett verfüllt (seit 2022 finden dort die Scherenburgfestspiele statt), im Süden ebenfalls verfüllt
  • Tiefe: unbekannt; im Norden vmtl. 2-3 m tiefer als heute und mit kleinerer sowie tiefer liegender Berme; im Süden analog zur Nordseite, jedoch mit breiterer Berme zwecks Zuwegung zum Tor vom Tal her; im Osten vmtl. tief in den Fels eingeschnitten (in Kunstdenkmäler Fig. 25 ansatzweise erkennbar), schätzungsweise 4-6 m
  • Tor: vmtl. keine Grabenquerung mittels Brücke o.ä.; Zuwegung von Südwesten über die Berme entlang der Stadt-/Ringmauer

Bergfried

  • Lage/Zustand: bis zum Wehrgeschoss erhalten; Durchmesser am Turmfuß knapp 8 m; Mauerstärke im Untergeschoss ca. 2,50 m, im Obergeschoss ca. 2,20 m, im Wehrgeschoss ca. 1,90 m
  • Zugang: in ca. 12 m Höhe auf Nordseite, Rundbogengewände mit einfacher 45°-Fase, zwei Konsolen für davor liegende Plattform, hölzerne Brückenkonstruktion zur Ringmauer ist anzunehmen
  • Fenster: im Untergeschoss Rest eines Lichtschlitzes auf der SW-Seite ca. 4 m oberhalb heutigem Bodenniveau; im Obergeschoss drei Lichtschlitze zum Treppenaufgang; im Wehrgeschoss sechs große Öffnungen (1,90 m – 2,25 m Durchgangshöhe, keine Gewände, Stichbögen)
  • Wehrgeschoss: außen umlaufender hölzerner Wehrgang ist anzunehmen (s. Kunstdenkmäler S. 47); im erhaltenen Baubestand sind keine Hinweise auf stützende Kragbalken ersichtlich (Drohnenbefliegung 2020), der oberste Teil des Bergfrieds ist durch moderne Sicherungsmaßnahmen jedoch stark überprägt
  • Dach: Konstruktion sowie Dachhaut unbekannt; vmtl. Kegeldach auf vollem Turm-Durchmesser mit konstruktiv verbundenem Wehrgang nach Art einer umlaufenden Hurde auf Mauerabsatz und/oder Kragbalken

Wohnbau

  • Lage/Zustand: Grundriss gesichert, Gewölbekeller komplett, obertägig nur Nordwand erhalten; 2 Vollgeschosse in Stein, Dachgeschoss mit Treppengiebeln; Bauzeit vmtl. erst nach 1469 (unter Würzburger Herrschaft)
  • Keller: zweischiffiges Gewölbe in 7 Jochen, nach Westen 6 kleine rechteckige Fenster mit einfachen 45°-Fasen (mittleres Joch laut Kunstdenkmäler S. 41 Fig. 23 ohne Fenster); südwestlicher Eckverband außen noch erkennbar; heutiger Zugang nicht original, ursprünglicher Zugang von Süden her ins östliche Gewölbeschiff ca. 1,60 m breit (heute vermauert, Baufuge erkennbar)
  • EG & OG: Geschosshöhen an Nordwand ablesbar (Laufniveau des EG ursprünglich etwas tiefer als heutiges Burghofniveau); hohe, vertikal geteilte Fenster mit gefasten Gewänden in Nordwand; Gebäude angesichts großflächiger Putzreste an nördlicher Giebelwand einst verputzt; Portal im EG und Kapellenerker im OG spekulativ;
  • Dachgeschoss: Höhe und Dachneigung an erhaltenem Stufengiebel ablesbar; Giebelstufen ursprünglich symmetrisch (laut Foto um 1920 in Kunstdenkmäler S. 42 Fig. 24); Dachstuhl vmtl. nur zu Lagerzwecken genutzt, da die renaissancezeitlichen Dachgeschossfenster in der Giebelwand erst nachträglich wurden; Belüftungsgauben nach Vergleichsbeispielen, Anschluss an Wehrgang im Nordosten fraglich; Dachhaut aus Hohlziegel in Mönch-Nonne (Reste in nördlicher Giebelwand, Hohlziegelfund aus Gewölbekeller)
  • Aborterker: in EG und OG vmtl. bauzeitlich (15. Jh.) erhalten, in DG/Giebel scheinbar nachträglich hinzugefügt (geringere Fläche); Abdeckung mit Sandsteinplatten vmtl. original

Nordbau

  • Lage/Zustand: nur Nordwand erhalten; mindestens zwei Geschosse, die annähernd mit denen des Wohnbaus korrespondieren; nordöstliche Ecke außen mit deutlichem Absatz im Ringmauerverlauf (Versprung von ca. 10 cm)
  • EG: in Nordwand zwei große rechteckige Gewände, bodennahes Ausflussbecken in der Südecke
  • OG: Senkscharte mittig in der Nordwand
  • Probleme: Verhältnis zum darüber liegenden, von Stichbögen getragenen Wehrgang unklar; Dachform und -haut sowie Dachanschluss zur Ringmauer im Norden und zum Wohnbau im Westen unklar
  • Funktion: Angesichts der direkten Nachbarschaft zum Wohn-/Herrschaftsbau und des Ausflussbeckens im Erdgeschoss vmtl. Küche; Senkscharte belegt Wehrfunktion des OG

Südbau

  • Lage/Zustand: Sockelmauer im Grundriss um 1920 angedeutet; Südwand in Lithografie um 1840/1850 dargestellt; vmtl. zweigeschossig
  • EG: Fenster und Zugang spekulativ
  • OG: im Osten (Abort-)Erker auf Konsolensteinen, darüber Wehrgang auf nach Norden hin ansteigenden Stichbögen; sonst hypothetisch
  • Probleme: Verhältnis zum darüber liegenden, von Stichbögen getragenen Wehrgang unklar; Dachform und -haut sowie Dachanschluss zur Ringmauer im Osten unklar; Endverband von Ringmauer & Wehrgang im Süden

weitere Gebäude

  • Keller: laut Kunstdenkmäler S. 47 weitere, verfüllte Keller östlich des Wohnbaus; heute nicht mehr zu verorten, Rekonstruktion der zugehörigen Gebäude unmöglich
  • Kapelle: Existenz sicher, 1732 letzte Hochzeit in der Burgkapelle; Standort unbekannt, in Tornähe kaum möglich, am ehesten im OG des Wohnbaus zu vermuten
  • Randbebauung: spekulativ; kleine Gebäude, Hütten und Verschläge sind zu vermuten aber unbewiesen; am ehesten entlang der nordöstlichen Ringmauer vorstellbar; ein gestufter Mauervorsprung in 3-4 m Höhe könnte als Auflager für Pultdächer gedient haben
  • Stadtmauer: Schenkelmauern der Stadtbefestigung schließen direkt an Ringmauer der Burg an; deutlich niedriger, ohne Wehrgang

westlicher “Zwinger”

  • Lage/Zustand: Mauer bis Laufniveau größtenteils erhalten; keine Brustwehr vorhanden
  • Funktion: fortifikatorisch unsinnig; wahrscheinlich nur einfache Terrassenmauer, Fläche vmtl. als Burggarten genutzt
  • Zugang: unbekannt/spekulativ; vmtl. von oben (Burghof) her

 

Literatur

Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (Hg.): Bezirksamt Gemünden. Die Kunstdenkmäler von Bayern. Regierungsbezirk Unterfranken XX, München 1982, unveränderter Nachdruck der Ausgabe München 1920, S. 42-47.

Ludwig Braunfels: Die Mainufer und ihre nächsten Umgebungen. Mit 54 Stahlstichen, nach Originalzeichnungen von Fritz Bamberger, Würzburg 1847.

Barbara Schock-Werner: Hölzerne Bauteile an Burgen auf mittelalterlichen Darstellungen.
In: Barbara Schock-Werner (Hg.): Holz in der Burgenarchitektur. Wissenschaftliches Kolloquium des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Burgenvereinigung Schloss Sayn 2003, Braubach 2004, S. 43-48.

Joachim Zeune: Hölzerne Wehrelemente an Burgen in historischen Bildquellen.
In: Barbara Schock-Werner (Hg.): Holz in der Burgenarchitektur. Wissenschaftliches Kolloquium des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Burgenvereinigung Schloss Sayn 2003, Braubach 2004, S. 33-42.