Die “Alte Burg”
Die östliche Giebelseite des Wohn- und Speicherhauses des ehemaligen Hofguts. Foto: Bruno Schneider

Die östliche Giebelseite des ehemaligen Hofguts.

Eigentlich ist es gar keine Burg, den Bewohnern von Fellen ist das ehemalige Hofhaus auf der kleinen Anhöhe in der Mitte des Dorfes dennoch als die „Alte Burg“ bekannt. Die turmartige Erscheinung des ehemaligen Herrenhauses wird geprägt von einem hohen und massiven Untergeschoss mit Eckquaderung und profilierten Sandsteinrahmungen. Auf diesem sitzen ein umlaufend vorkragender Fachwerkoberstock und der steile, zweigeschossige Dachstock mit Halbwalm, der einst als Speicher diente. Das Gebäude ist der Rest eines historischen Hofensembles, das ursprünglich auch einen großen Schafstall und eine Scheune mit Schweinestall umfasste.

 

Bau- und Besitzgeschichte

1621 fiel fast ganz Fellen, das zu dieser Zeit aus 43 Bauernhöfen bestand, einer großen Brandkatastrophe zum Opfer. Noch im gleichen Jahr dokumentiert eine Kellereirechnung den Bau des Hofgutes, dessen Kosten sich auf 93 Gulden, 8 Schillinge und 4 Pfennig beliefen. Die Nöte, die der Dreißigjährige Krieg mit sich brachte, machten eine ertragreiche Bewirtschaftung des Hofgutes vorerst unmöglich. Die Besitzer des als Lehen vergebenen Hofguts wechselten mehrfach. 1635 vermerkte der für die Eintreibung der Geld- und Naturalabgaben zuständige Keller, dass alle Schafe und “auch den Bawern und Undthanen alles Rindt Viehe durch das Kriegsß Volckh genohmen“ worden sind. Erst ab 1650 verbesserte sich die wirtschaftliche Lage. Fünf Jahre später (1655) erteilte der Mainzer Kurfürst den Auftrag, das Hofgut instandzusetzen. Scheinbar waren in den letzten Kriegsjahren Schafstall und Hofgebäude bei einem erneuten Feuer beschädigt worden.

Der Kurfürst von Mainz, Lothar Friedrich von Metternich-Burscheid, verkaufte 1673 den nördlichen Teil der ehemaligen Grafschaft Rieneck und damit auch das Hofgut in Fellen an den böhmischen Grafen Hartwig von Nostitz. Im Kaufbrief aufgeführt: „hoff und schäfferey zu fellen“. 1809 wurde anlässlich des Verkaufs an Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg eine genaue Beschreibung des Hofguts angefertigt. Es bestand zu dieser Zeit aus einem Wohnhaus mit doppeltem Speicher, einem Stall für 700 Schafe und einer Scheune mit Dreschtenne.

Das Hofgut, auf dem Urkatasterblatt um 1850 mitsamt seiner direkt zugehörigen Weidefläche hervorgehoben, lag ursprünglich am östlichen Ortsrand von Fellen. Norden oben. Geobasisinformation: Bayerische Vermessungsverwaltung

Das Hofgut, auf dem Urkatasterblatt um 1850 hervorgehoben, lag ursprünglich am östlichen Ortsrand von Fellen.

Mit der Eingliederung Unterfrankens und Aschaffenburgs in das Königreich Bayern 1814 gelangte der Gebäudekomplex in bayerischen Besitz und wurde — nicht ganz freiwillig — von der Gemeinde übernommen. In der Folgezeit blieb er zunächst ohne Verwendung. Ab 1874 diente sein Herrenhaus als Wohnung für den örtlichen Schweinehirten, den Nachtwächter und andere Fellener. Mitte der 1920er-Jahre brannte der zugehörige Schafstall ab. Als das historische Gebäude 1966 erneut leer stand, wurde eine Debatte um seine zukünftige Nutzung geführt. Zwei Jahre später stimmte der Gemeinderat mehrheitlich für einen Abriss. Dieser wurde aus denkmalschutzrechtlichen Gründen jedoch nicht vollzogen. Heute nutzt der Faschingsverein “Feller Hoase” die „Alte Burg“ als ihr Quartier und engagiert sich für ihre denkmalgerechte Instandhaltung.

 

Dendrochronologie

Abseits schriftlicher Quellen existieren weitere Möglichkeiten, historischen Gebäuden Geheimnisse zu entlocken. Dazu gehört die Dendrochronologie, eine Methode, mit der das Alter von Bäumen datiert werden kann. Der Name setzt sich aus dem Griechischen déndron „Baum“, chrónos „Zeit“ und lógos „Lehre“ zusammen. Sie basiert auf dem Umstand, dass die Breite der Jahresringe eines Baumes in Abhängigkeit von den Wachstumsbedingungen, wie Standort, Witterung oder Nährstoffzufuhr, von Jahr zu Jahr schwankt. Daraus ergibt sich eine für die Wachstumszeit charakteristische Abfolge breiter und schmaler Ringe, ähnlich einem Strichcode. Im Zuge der Innenrenovierung der „Alten Burg“ wurde ein Balken einer Innenwand dendrochronologisch untersucht. Die Jahresringe wurden unter dem Mikroskop gemessen und durch statistische Methoden mit den bekannten Referenzwerten der regionalen Eichenchronologie abgeglichen. Dadurch wurde eine zeitliche Einordnung des Baumwachstums möglich: Die Eiche ist im Jahr 1554 gekeimt und wurde 1627 gefällt.

Es erstaunt, dass die Datierung nicht mit dem für 1621 überlieferten Bau des Hofguts übereinstimmt. Möglicherweise wurde der untersuchte Balken erst später verbaut. Mehrere Reparaturen im 17. Jahrhundert sind bezeugt und Bauholz wurde in der Regel mehrfach verwendet. Klarheit können hier nur weitere Bauuntersuchungen schaffen.

 

Ein anderes Landschaftsbild als heute
In dem Ausschnitt der sogenannten Hoffmann-Karte von 1584 ist die wesentlich geringere Bewaldung im „Feller Grundt“ (gelb) erkennbar. Quelle: Staatsarchiv Würzburg, Mainzer Risse und Pläne 34

Der „Feller Grundt“ in der sog. Hoffmann-Karte von 1584

Im Sinngrund spielte Schäferei mindestens seit dem Spätmittelalter eine große Rolle. Auch das Hofgut in Fellen diente der Schafhaltung. Eine Rechnung aus dem Jahr 1717 führt über 600 Schafe auf, die Beschreibung von 1798 beziffert die Kapazität des Schafstalls auf 700 Schafe. Diese Form der Bewirtschaftung hat auch das Landschaftsbild im Umfeld Fellens geprägt. Mindestens seit dem Ende des Mittelalters waren die umgebenden Höhen aufgrund ausgedehnter Weide- und Wiesenflächen deutlich geringer bewaldet als heute.

Im Verlauf des 18. Jahrhunderts wurde in den meisten Spessarttälern die Kultivierung von Wiesen ausgeweitet und technisch professionalisiert, so auch im Fellatal. Charakteristisch für Mittelgebirgsregionen wie den Spessart war das System der Rückenbewässerung. Dabei führte man das Wasser von den Bächen über Bewässerungsgräben auf etwa 4 bis 5 Meter breite und 0,5 Meter hohe, künstlich angelegte Rücken in darauf verlaufenden Firstgräben. Das dort aufgestaute Wasser konnte durch die Neigung beidseitig auf die Wiesen abfließen und wurde über Abzugsgräben zurück in den Bach geleitet. Mit dieser systematischen Bewässerung konnte die Futtermittelproduktion erheblich gesteigert werden. Ihre größte Ausdehnung im Spessart erreichten die Wässerwiesen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Auch die Täler von Aura und Fella waren nahezu vollständig in das Bewässerungssystem einbezogen. Ende der 1970er-Jahre ging ihre Kultivierung zurück. Die Relikte der Rückenwiesenwirtschaft sind in den Tälern des Sinngrunds für das aufmerksame Auge jedoch noch immer allgegenwärtig. Hier sind häufig besondere Biotope entstanden, die unter anderem einen idealen Lebensraum für die Schachblume bilden. Deshalb werden die Wässerwiesen stellenweise wieder gepflegt und unter Naturschutz gestellt. Beim jährlichen Schachblumenfest in Obersinn werden Relikte der Rückenwiesen zu Schauzwecken sogar wieder in Betrieb gesetzt.

Schematisches Schaubild zum Funktionsprinzip von Rückenwiesen: Über einen Kanal wird Wasser auf die Firstgräben geleitet, von wo es über die die Seiten der Rücken rieselt und durch Abflussrinnen in das Hauptgewässer zurückgeleitet wird. Bearbeiter: Burglandschaft

Schematisches Schaubild zum Funktionsprinzip von Rückenwiesen