von Harald Rosmanitz, Partenstein 2015*

Die Ausdehnung und Bebauung der Burg Mole wurde im Rahmen der archäologischen Untersuchungen mit sieben Grabungsflächen erschlossen. In zwei weiteren Schnitten nördlich der Mole konnte gemeinsam mit dem Ökologiezentrum der Universität Kiel die Struktur des vorgelagerten Wassergrabens und des Schwemmfächers des „Kirschgrabens“ in Augenschein genommen werden. Die untersuchten Besiedlungsspuren lassen sich dabei in neun Perioden unterteilen1. Ein wichtiges Ergebnis der Grabungen bildet der Nachweis, dass die geomagnetisch sich abzeichnenden Strukturen im Wesentlichen eine maximal vierperiodige Bebauung darstellen2. Die zu Beginn des zweiten Drittels des 14. Jahrhunderts errichtete und 1437/38 aufgelassene Niederungsburg ist von nachträglicher Überbauung verschont gebliebenen. Damit hat sich bei Heimbuchenthal ein für den Untermain bislang einzigartiges Bodendenkmal erhalten.

Nordwestecke des Wohnturms (links) mit vorgelagerter Ringmauer (rechts)

Nordwestecke des Wohnturms (links) mit vorgelagerter Ringmauer (rechts)

Der Wohnturm3

Im Zentrum der Anlage stand ein massiver Rechteckturm mit einer Kantenlänge von 9,3m x 8,3m und einer Mauerstärke von durchschnittlich 130cm. Der Mauermantel bestand aus nur grob zugerichteten Sandsteinen. Von besserer Qualität und auch von ihrer Größe her herausragend sind die Sandsteine der beiden Außenschalen. Bei den Ausgrabungen zeigte es sich, dass das Fundament noch auf einer Höhe von insgesamt 160cm im Boden erhalten ist. Es wurde zumindest in Teilen 1851 anlässlich des Abräumens der obertägigen Bebauung weit unter das burgzeitliche Laufniveau ausgebrochen und auch darunter tiefgreifend beschädigt.

Für die Errichtung des Wohnturms tiefte man Fundamentgräben etwa einen halben Meter tief in den Schwemmfächer des Kirschgrabens ein. Im Turminneren füllte man eine knapp ein Meter mächtige Schicht aus großen Sandsteinen auf. Diese sollten das Schichtenwasser drainagieren. Darüber brachte man um 1400 eine mit Backsteinen und Hohlziegeln durchsetzte Lehmpackung ein, um das Untergeschoss des Wohnturms trocken zu legen4. Im Gegensatz zu vergleichbaren Anlagen im Spessart dürften die Ecksteine der Außenseiten nicht als Buckelquader ausgebildet gewesen sein. Reste von getünchtem Mörtel außerhalb des Wohnturms lassen vermuten, dass der Wohnturm ursprünglich außen verputzt und weiß getüncht war. Im Gegensatz zur Ketzelburg5 fehlen bei dem Wohnturm der „Mole“ Einbauten im Turm selbst. Ein nur grob zugehauener Kragstein aus dem Turminnern gibt uns einen Hinweis auf die Gestalt der Auflager für die Geschosse. Hinweise auf ein wie auch immer geartetes Gewölbe im Turm fehlen. Gegen ein Gewölbe spricht nicht zuletzt auch die Bodenbeschaffenheit, steht die ganze Anlage doch komplett auf viskosen Auelehmen.

Bebauungsspuren zwischen Wohnturm und Ringmauer

Profil mit Brandschicht der zerstörten hochmittelalterlichen Vorgängeranlage; Umzeichnung: Sabrina Bachmann, Heimbuchenthal.

Profil mit Brandschicht der zerstörten hochmittelalterlichen Vorgängeranlage; Umzeichnung: Sabrina Bachmann, Heimbuchenthal.

Bei den ältesten Bebauungsspuren auf dem dem Wohnturm vorgelagerten Plateau handelt es sich um einschalige, in Lehm gesetzte Trockenmauern und um eine Grube6. Sie geben uns eine grobe Vorstellung davon, dass vor dem vollständigen Innenausbaus der Burg die benötigten Wirtschaftsgebäude eher provisorischen Charakter hatten. Damit ist auch die Ansprache der verschiedenen Baukörper, inkl. deren Anbindung an Wohnturm und Ringmauer, nicht vollständig geklärt.

Wesentlich eindeutiger ist das Bild der Bebauung nach Abschluss der um 1400 vorgenommenen Umbauten. Dem westlichen Segment der Ringmauer war im Abstand von etwa zwei Metern eine einschalige Mauer aus in Mörtel gesetzten Sandsteinen vorgelagert. Das 50cm breite und in einer Höhe von vier Steinlagen erhaltene Fundament bildete vermutlich den Unterbau der Fachwerkwand eines eingeschossigen, an die Ringmauer angelehnten, stroh- oder schindelgedeckten Wirtschaftsgebäudes7. Das an die Ringmauer angelehnte Schleppdach kragte etwa 80cm nach Osten über die östliche Abschlusswand zum Wohnturm hin aus und wurde möglicherweise durch Pfosten gestützt.

Direkt an das nördliche Segment der Ringmauer schloss sich ein rechteckiger, gemauerter Schacht an. Er hat die Innenmaße 160cm x 50cm und besaß eine Tiefe von noch 150cm. Der Schacht war von einschaligen, in Mörtel gesetzten Mauern umschlossen. Fehlende Verzahnungen zeigen, dass er erst nachträglich an die Ringmauer angebaut wurde. Bauweise und Abmessungen des Befundes sowie die Abdichtung der burgseitigen Wände durch eine dünne Lehmschicht weisen das Objekt als Verfüllschacht einer Doppellatrine aus8. Solche Latrinen belegen den Versuch, „Sauberkeit“ in Bereichen zu schaffen, in denen mit einer vergleichsweise dichten Besiedlung zu rechnen ist. Der hölzerne Überbau des Abtritts war aller Wahrscheinlichkeit nach ebenerdig zu erreichen. Es fehlte ein Kanalsystem zur Ausleitung der flüssigen Bestandteile in den Burggraben. Allerdings liegt die Sohle der Latrine bereits auf Höhe des Schichtenwassers, womit ein Versickern der nicht festen Bestandteile gewährleistet war. Die Latrine wurde bei der systematischen Aufgabe der Burg vollständig gesäubert und mit Erde und Bauschutt verfüllt. Eine der Latrine südlich vorgelagerte Steinstückung verläuft parallel zur Nordwand des Wohnturms. Es könnte sich dabei um das Auflager für einen Schwellbalken gehandelt haben, auf dem eine hölzerne Treppe fußte9. Über diese gelangte man möglicherweise zu dem im ersten Obergeschoss liegenden Eingang in den Wohnturm.

Die Stallungen im Südosten des Burgstalls dienten zum Unterstellen von Pferden. Daher wurde der Boden des in Fachwerktechnik errichteten Gebäudes mit einem Plattenbelag aus Sandstein ausgekleidet.

Bodenbelag des Pferdestalls im Südosten des Innenhofs

Ebenfalls um 1400 errichtete man im Südosten eine geräumige, vier auf fünf Meter messende Stallung. Von ihr hat sich ein flächiger Belag aus Sandsteinplatten erhalten. Dieser schließt an zwei Seiten direkt an die Ringmauern an. Die verbleibenden Wände waren aus Fachwerk aufgeführt. Im Gegensatz zu den Baulichkeiten vor der westlichen Ringmauer ruhten die Fachwerkmauern auf 30cm breiten, in der Erde versenkten Schwellbalken. Eine zweilagige Steinunterfütterung verlieh der Konstruktion zusätzliche Stabilität. Insgesamt erweist sich die Stallung als gut geplanter robuster Bau, dessen Wertigkeit noch dadurch hervorgehoben wurde, dass er, in Entsprechung zum Wohnturm, über ein mit Hohlziegeln gedecktes Dach verfügte. Die Reste mehrerer Hufeisen im Stallinnern sprechen neben dem sorgfältig gepflasterten Innenraum dafür, dass in dem Gebäude Reit- und Zugpferde eingestellt waren.

Das Plateau um den Wohnturm müssen wir uns zumindest ab 1400 als extrem dicht bebautes Areal vorstellen. Mit seiner Stallung, einem Wirtschaftsgebäude und den sanitären Ablagen verfügte es über wesentliche Elemente, um die zum Betrieb des Wohnturms notwendige Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Allerdings blieb dabei vieles außen vor, was eine autarke Burganlage charakterisieren würde. Wir können davon ausgehen, dass zum Betrieb der Burg, zusätzlich zu den Wirtschaftsgebäuden innerhalb des Berings auch ein Wirtschafshof gehörte. Dieser wäre auf dem Schwemmfächer südlich des kleinen Teichs im Areal des heutigen Höllhammers zu suchen. Umfassende Umbaumaßnahmen haben dort im 18. und 19. Jahrhundert jegliche Spuren einer älteren Nutzung beseitigt.

Die Ringmauer

Blick auf die nördliche Ringmauer mit einem bereits bei Errichtung der Mauer dort eingebauten Stützpfeiler

Blick auf die nördliche Ringmauer mit einem bereits bei Errichtung der Mauer dort eingebauten Stützpfeiler

Übereinstimmende Mauertechnik deutet darauf hin, dass Wohnturm und Ringmauer in einem Zug entstanden. Dabei gründete man die Fundamente der Ringmauer etwa 150cm tiefer als die des Wohnturms. Die Ringmauer umschloss als von N nach S ausgerichtetes Rechteck eine Fläche von 410m². Die einzige Durchbrechung dürfte ein Tor im südlichen Segment unmittelbar neben dem Pferdestall gewesen sein. Beim Aufbau der 120cm mächtigen, doppelschaligen Sandsteinmauer verwendete man sandigen Mörtel mit geringen Kalkanteilen. Die Fundamente der Ringmauer wurden etwa einen Meter in den Sand des Schwemmkegels des „Kirschgrabens“ eingetieft.

Die für den Bau der Fundamente benötigte Baugrube entstand, indem man das Erdreich auf Sohltiefe um etwa zwei Meter nach außen hin abgrub. Der so entstandene, um die Burg laufende Graben wurde in der Folge als Sohle des Burggrabens weiterverwendet. Indem man vor die unterste Fundamentlage der Ringmauer mit Mörtel versetzten Sand bis zu 40cm hoch anböschte, verhinderte man ein Unterspülen der Ringmauer. Bauphasen ließen sich in den 2008/2009 freigelegten Außenschalen der Ringmauern nicht nachweisen. Vieles – nicht zuletzt die geringe Dimension des Burgstalls – spricht dafür, dass die Anlage vergleichsweise zügig errichtet wurde. Wir können davon ausgehen, dass die Mauer nach außen im Gegensatz zum ursprünglich weiß gekalkten Wohnturm nicht verputzt war.

Über die ursprüngliche Höhe der Mauer lässt sich spekulieren. Als sicher gilt, dass sie zumindest nach Norden hin10 einen ziegelbesetzten Wehrgang besaß. Dies legt eine Massierung von Dachziegeln im Burggraben nahe. Der Mönch-Nonne-Verband lässt zudem auf einen massiven hölzernen Dachstuhl als Unterkonstruktion schließen. In den Wehrgang der nördlichen Ringmauer war ein Aborterker integriert. Trotz fehlender Baubefunde legt dies ein 2008 ergrabener Schuttkegel in der Grabensohle nahe. Da dieser Bereich bis heute unterhalb des Grundwasserspiegels liegt, konnten sich unterhalb des ehemaligen Abtritts zahlreiche organische Reste erhalten, darunter etwa faustgroße Moosballen, die aller Wahrscheinlichkeit nach als mittelalterliches Toilettenpapier zum Einsatz kamen. Aus diesem, bis zu einem Meter hohen Schichtenpaket stammen Speiseabfälle, Koch- und Trinkgeschirr, hölzerne Teller, Platten und Löffel, eine Kegelkugel sowie ein Kreisel. Besonders hervorzuheben ist ein hölzerner Zweilagenkamm und ein aus hauchdünnem Silberblech getriebener Handspiegel. Halbzylinderkacheln vom Typ Tannenberg, in Dieburg gefertigte glasierte Töpfe, Fettfänger und getauchte Kannen, aber auch Kochtöpfe regionaler Hafnereien engen die Nutzungszeit der Latrine auf die letzten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts ein11.

Das scheinbar massive Sandgemenge des Schwemmfächers auf Höhe der Fundamentunterkante der Ringmauer erwies sich als Achillesverse der gesamten Anlage. Im Vertrauen auf die Tragfähigkeit des betonharten Sandes verzichtete man im Zuge der Fundamentierung der Burg ungewöhnlicherweise auf einen hölzernen Pfahlrost. Der unter den Fundamenten stellenweise weniger als zwanzig Zentimeter mächtige Schwemmfächer wurde durch die Bauarbeiten an mehreren Stellen vollständig abgetragen. Die darunter zum Vorschein kommenden, viskosen Auelehme wurden durch das Gewicht der Mauern in den Burggraben gedrückt. Damit verlor das Gefüge unterhalb der Fundamente zusehends an Stabilität. Als Schwachpunkt erwies sich die nur schwach verdichtete Einfüllung zwischen Schwemmfächer und Ringmauer, auf der eine ebenfalls noch lockere, meterhohe Aufschüttung zwischen Ringmauer und Wohnturm ruhte. Der beim Ausheben der Ringmauerfundamente angefallene lockere Aushub entwickelte Seitendruck, den das geschwächte, einsackende Fundament nicht abfangen konnte. Die Ringmauer begann folglich sich nach außen zu neigen.

Die Neigung muss bereits während der Errichtung der Ringmauer erkannt worden sein. So setzte man in den Graben vor die Ringmauer mindestens zwei 80cm breite Strebepfeiler, die mit der Ringmauer verzahnt sind12. Durch Anlagerung von Brettern auf Höhe der Fundamentunterkante versuchte man um 1400, den Strebepfeiler vor den nördlichen Abschnitt der Ringmauer vor Unterspülen zu schützen13. Überdies hatte man darüber einen mit Mörtel vermischten Sand an den Sockel angeböscht.

Blick auf die südwestliche Ecke der Ringmauer und das ihr vorgelagerte Widerlager für eine vor der Westfassade angebrachte Stützarkade

Blick auf die südwestliche Ecke der Ringmauer und das ihr vorgelagerte Widerlager für eine vor der Westfassade angebrachte Stützarkade

Blick auf die westliche Ringmauer und die ihr vorgelagerte Stützarkade; Umzeichnung: Sabrina Bachmann, Heimbuchenthal

Blick auf die westliche Ringmauer und die ihr vorgelagerte Stützarkade

Die vorgelagerten Strebepfeiler konnten indessen auf Dauer das Wegkippen der Ringmauer nicht verhindern. Um 1400 war der Verfall schon so weit voran geschritten, dass nur noch massive Baumaßnahmen das Einstürzen von Teilen der Umfassungsmauer hätte verhindern können. Inwieweit sich die Bauschäden auf die Jahrtausendflut des Jahres 134214 und auf das Baseler Erdbeben vom 18. Oktober 135615 zurückführen lassen, konnte im Befund nicht erschlossen werden. Man kann jedoch davon ausgehen, dass solche Extremereignisse an einer bereits maroden Bausubstanz ihre Spuren hinterließen. Lange Zeit hatte die Vermörtelung und Verzahnung der großen Sandsteinblöcke der Ringmauer das gesamte Ringmauerkarree blockhaft stabilisiert. Die sehr dünne Schicht des auslaufenden Schwemmfächers im Süden der Anlage konnte jedoch auf Dauer das auf ihm lastende Gewicht der Ringmauer nicht mehr tragen. Die Mauer sackte ein und kippte nach außen. Der nördlich des zu dünnen Schwemmfächers liegende Mauerteil fußte dagegen auf weit stabilerem, unnachgiebigem Grund. Irgendwann konnte das Mauerwerk den Kräften nicht mehr standhalten und zerbrach. Am deutlichsten erkennt man das an einem an seiner Basis armbreiten Riss im nördlichen Drittel des westlichen Segments der Ringmauer. Im unmittelbaren Umfeld des Risses lösten sich die umgebenden Steine und fielen in den Burggraben. Gleichzeitig nahm die Schräglage der Mauer bedrohliche Ausmaße an16. Erste Stützungsmaßnahmen mit eilig zugeschlagenen, in der Niederung der Elsava wachsenden Eichenstämmen, konnten nur die schlimmsten Schäden verhindern. Man entschloss sich daher, die Westseite der Ringmauer durch ein vorgesetztes, etwa ein Meter breites Gewölbe zu stabilisieren. Diese Lösung bot den Vorteil, dass man für das Gewerk nur wenige Punktfundamente benötigte, welche im Abstand von etwa fünf Metern im feuchten Burggraben errichtet wurden. Knapp oberhalb des Grundwasserspiegels setzten die Gewölbebögen an. Sie bestehen aus keilförmig zugerichteten, massiven Sandsteinblöcken. Besondere Sorgfalt verwendete man für die nachträgliche Einfassung der Südwest- und Nordwestecke der Ringmauer. Zum Abfangen des Gewölbeschubs wurden diese massiv aus bis zu zwei Meter langen Sandsteinblöcken errichtet. Die Seitenwände der aus dem gesamten Baukörper vorkragenden Ummantelungen sind leicht abgeschrägt, erweitern sich nach unten hin um 17 Grad. Eine vergleichbare Ummantelung der nordöstlichen Ringmauerecke lässt die Vermutung zu, dass eine solche Arkade nicht nur der West- sondern auch die Ostseite der Ringmauer vorgesetzt war. Es ist mangels Vergleichsbeispielen nicht bekannt, inwieweit mit diesen Verstärkungen der Wehrcharakter der Umfassungsmauer beibehalten werden konnte. Die bastionsgleichen Eckverstärkungen dürften die optische Wirkung der an dieser Stelle befremdlich anmutenden Stützarkaden sicherlich etwas abgeschwächt haben.

Blick auf die westliche Ringmauer: Der Steinversturz ist das Ergebnis einer um 1400 erfolgten Geländesenkung.

Blick auf die westliche Ringmauer: Der Steinversturz ist das Ergebnis einer um 1400 erfolgten Geländesenkung.

Bei der beschriebenen „Sanierung“ der westlichen Ringmauer beging man letztlich den gleichen Fehler wie etwa siebzig Jahre zuvor bei der Errichtung der Burg. Wieder vertraute man den betonharten Sanden des Schwemmfächers des Kirschgrabens, verzichtete also auf jede Art von Unterbau der Pfeilerfundamente, insbesondere einen Pfahlrost. Schon wenige Jahre später sanken auch diese ein und die gesamte Konstruktion neigte sich nach außen.

Der Burggraben

Im Rahmen der archäologischen Untersuchungen 2008/2009 konnte der Burggraben insgesamt an zwei Stellen mit bis auf die Sohle reichenden Schnitten untersucht werden17. Sowohl nördlich als auch westlich des Burgstalls wurde dabei ein unterhalb der Fundamentoberkante noch 320cm tiefer Sohlgraben angetroffen. Er schloß sich direkt an die Ringmauer an. Der Graben trennt den Schwemmfächer vom Burgstall, gleichzeitig verbessert er auch die Wehrhaftigkeit. Jeder eventuelle Angreifer versank hier knöcheltief in zähem Schlick18.

In den Grabenprofilen zeigte sich, dass der Sohlgraben nach Abschluss der Errichtung der Ringmauer noch um etwa einen Meter nach außen verbreitert wurde. Der Ringmauer gegenüber errichtete man aus aufeinander gestapelten, noch berindeten Baumstämmen eine Barriere, um den Sedimenteintrag von außen zu vermindern. Die Konstruktion war dabei mit angespitzen Pfosten und in Trockenmauertechnik errichteten, steinernen Stützen in der Grabensohle und in der äußeren Grabenwand verankert. Im Zuge der gegen 1400 erfolgten Sanierungsarbeiten wurde der Wassergraben stark verschmälert. Spätestens zu jenem Zeitpunkt verankerte man in der Südwestecke vor der ummauerten Ringmauer eine nach Osten leicht abfallende Rinne mit sekundär verwendeten eichenen Spaltbohlen und zugesägten Brettern. Sie wurde im Burggraben knapp oberhalb der Fundamentunterkante mit zugespitzen Pfosten in den Sanden des Schwemmkegels verankert. Nach Süden hin wird der den Burgstall umschließende Wassergraben von einem parallel zur Südmauer verlaufenden, künstlich aufgeschütteten Damm begrenzt. Auf diesem verlief aller Wahrscheinlichkeit nach die ursprüngliche Zuwegung zur Burg. Eine Holzbrücke, die den Burggraben überspannte, dürfte zum Tor in der Ringmauer geführt haben. Dieses lag westlich des Pferdestalls.

Eine mit einem sog. „Mönch“ verschließbare Deichelleitung regulierte südwestlich der Burg Mole den Wasserstand in dem die Burg umgebenden Graben.

Eine mit einem sog. „Mönch“ verschließbare Deichelleitung regulierte südwestlich der Burg Mole den Wasserstand in dem die Burg umgebenden Graben.

In den letzten beiden Tagen der Kampagne 2009 wurde in der südwestlichen Außenecke des Grabens eine nach Süden laufende Wasserableitung aufgedeckt. Die Rinne liegt etwa einen halben Meter über der Grabensohle und führt unter dem künstlichen Damm hindurch. Die Rinne wurde in einen vierkantig zugebeilten, 50cm breiten Lärchenstamm eingeschlagen. Dessen oberer Teil war zuvor mit Keilen vom Stamm abgespalten worden. Er wurde zum Schluss als Abdeckung wieder auf die Rinne gesetzt und mit Holznägeln verzapft. Das Wasser, das in der Röhre mit ihrem leichten Gefälle nach Süden abgeführt wurde, floss nicht direkt in die Rinne. Vielmehr dürfte auf dem Ganzen ein Schieber aufgesessen haben. Er verhinderte ein Verschmutzen und Zusetzen der Rinne. Gleichzeitig war es möglich, mit Hilfe des Schiebers den Wassersstand im Burggraben durch das Jahr hinweg auf gleichmäßigem Niveau zu halten.

Bald nach 1400 setzte sich der Graben mit Sedimenten zu. Die Reste eines Türbretts, das im Verlaufe der Abtragung des Wohnturms 1437/38 in den Graben fiel, liegen schon etwa einen Meter höher als die Grabensohle. Als im 17. Jahrhundert die Ringmauer abgebrochen und dabei auch die vorgelagerten Gewölbebögen zum Einsturz gebracht wurden, war der Graben nur noch als etwa 50cm tiefe Mulde im Gelände erkennbar.

Fazit

Die Untersuchung der Burg „Mole“ erwies sich sowohl von archäologischer als auch archivalischer Seite als lohnenswert. Die mehrfache Überformung des Areals verhinderte bislang – trotz geophysikalischer Untersuchungen – eine letztlich verbindliche Rekonstruktion der Anlage. Obwohl die Burg in zahlreichen schriftlichen Quellen Erwähnung fand, entzog sich ihre architektonische Gestalt bisher unserer Vorstellung.

Mit Hilfe der Ausgrabungen gelang der Nachweis, dass bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zumindest in Ansätzen eine hölzerne, burgähnliche Anlage auf dem Schwemmkegel des Kirschgrabens gestanden hatte. Das Areal selbst kann jedoch auf eine weit ältere Besiedelungsgeschichte zurückblicken.

Die Burg in ihrer heute zumindest noch in ihren Grundmauern erhaltenen Form dürfte um 1330 errichtet worden sein. Dabei wurde das Gelände tiefgreifend verändert. Neben den Abgrabungen und Aufschüttungen in und um die Burg selbst, ist in diesem Zusammenhang vor allem auf die Anlage des Teiches südlich des Burgstalls zu verweisen. Die für die Mauern benötigten Sandsteine wurden dabei höchstwahrscheinlich nicht weit von der Anlage in einem Steinbruch am Fuße des Kirschgrabens gebrochen19.

Grundriss der Burg kurz nach ihrer Renovierung um 1400

Grundriss der Burg kurz nach ihrer Renovierung um 1400

In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts drängten sich auf der „Mole“ auf engstem Raum Burgherr und Dienerschaft. Dennoch weisen Elemente hochwertiger Wohnkultur wie Glasscheiben und der aus Dieburg stammende Nischenkachelofen darauf hin, dass der umgebende Wirtschaftsraum hinlänglich Einkünfte abwarf, um einen für damalige Verhältnisse gehobenen Lebensstil zu pflegen. Vieles deutet darauf hin, dass das Elsavatal, ähnlich wie im 18. und 19. Jahrhundert, bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts einen Wirtschaftsboom erlebte. Fragmente von Abstichschlacken legen die Vermutung nahe, dass in der Umgebung Raseneisenerz verhüttet, zumindest aber verarbeitet wurde20. Dafür sprechen auch die für den Innenausbau der Burg „Mole“ verwendeten Backsteine regionaler Provenienz, in denen zweitverwendete, zermahlene Abstichschlacke als Magerungsmittel zum Einsatz kam21. Der Charakter des Burgstalls hatte damit einen entscheidenden Wechsel von der Grenzbefestigung hin zur Sicherung und Kontrolle des gewinnbringenden Wirtschaftsstandorts vollzogen. Nur dieser Umstand macht den fortifikatorisch ungünstigen Standort der Burg verständlich und  nur so ist erklärbar, warum man um 1400 trotz massiver und letztlich unlösbarer statischer Probleme an einer weiteren Nutzung der in den Auelehmen des Elsavatals versinkenden Burg interessiert war. Die aufwendigen Drainage- und Sanierungsmaßnahmen konnten jedoch letztlich den Niedergang der Burg nicht aufhalten. Vielleicht war schon dreißig Jahre später das Gelände als Rohstoffquelle ausgelaugt, waren die naheliegenden Rasenerzvorkommen abgebaut oder die verfügbaren Holzbestände dermaßen dezimiert, dass der Produktion schlichtweg der notwendige Faktor Energie fehlte.

Die schnelle und vollständige Aufgabe der Anlage in den Jahren 1437/38 zeigt in aller Deutlichkeit den wirtschaftlichen und politischen Bedeutungsverlust, der auch im Zuge des Wiederauflebens der Eisenverarbeitung im 18. und 19. Jahrhundert nie mehr wettgemacht werden konnte. Aus der Sicht des Kulturlandschaftsforschers ist dies ein großer Glücksfall, hat sich doch um den Burgstall herum eine Landschaft bis in unsere Zeit erhalten, die bis auf wenige Eingriffe jüngeren Datums letztlich durch die dichte spätmittelalterliche Nutzung entscheidend von Menschenhand umgestaltet wurde.

 

Weitere Informationen finden Sie auf den Seiten des Archäologischen Spessartprojekts.

*Informationen übernommen von http://www.spessartprojekt.de/?page_id=11342, alle Bilder Archäologisches Spessart-Projekt, Fachbereich Archäologie

weiterführende Literatur:

Manfred Aulbach: Von den Anfängen bis ins Hohe Mittelalter, in: Karlheinz Bachmann (Hg.): Heimbuchenthaler Geschichtsbuch 1282-1982, Goldbach 1982, S. 18-50.
Hans-Rudolf Bork, Annegret Kranz: 
Die Jahrtausendflut des Jahres 1342 prägt Deutschland. Neue Forschungsergebnisse aus dem Einzugsgebiet des Mains, in: Jahresbericht der Wetterauer Gesellschaft für die gesamte Naturkunde 158, 2. Band, Hanau 2008, S. 119-129.
Peter Jüngling:
 „Diese Capell steht noch heutzu Tag …“. Beiträge zur Geschichte der Marienkapelle von Hirzbach, Gemeinde Hammersbach, Main-Kinzig-Kreis, Hanau 2004.
Dietrich Lutz (Hg.): Vor dem großen Band. Archäologie zu Füßen des Heidelberger Schlosses, Stuttgart 1992.
Werner Meyer: Da verfiele Basel überall. Das Basler Erdbeben von 1356, Basel 2006.
Harald Rosmanitz: Die archäologischen Untersuchungen auf der Ketzelburg – Ein Überblick, in: Harald Rosmanitz (Hg.): Die Ketzelburg in Haibach. Eine archäologisch-historische Spurensuche, Neustadt a.d. Aisch 2006, S. 55-70.
Harald Rosmanitz: Der Burgstall Mole in Heimbuchenthal, in: Das Archäologische Jahr in Bayern (2008), S. 161–163.
Harald Rosmanitz mit Beiträgen von Jürgen Jung und Gergely Kápolnási: Burgenforschung im Spessart. Das „Alte Schloss“ in Kleinwallstadt, in: Beiträge zur Archäologie in Unterfranken 6 (2009), S. 243-286.
Harald Rosmanitz: Die Niederungsburg „Mole“ bei Heimbuchenthal im Spessart, in: Georg Ulrich Großmann (Hg.): Die Burg zur Zeit der Renaissance (Forschungen zu Burgen und Schlössern 13), Berlin/München 2010, S. 227–240.
Philipp Sauer: Cabutzino. Schülerzeitung am Johannes-Butzbach-Gymnasium Miltenberg 2/2009.
Friedrich Schunder: Die Rexroth-Geschichte. Hämmern, Gießen, Bewegen 1795-1995, Lohr a. Main 1995.

 

Anmerkungen:

  1. Periode 1: Prähistorische (eisenzeitliche) Besiedlung des Schwemmfächers des „Kirchgrabens“ nördlich der Burgstelle
    Periode 2: Errichtung und Niederlegung der hochmittelalterlichen, hölzernen Bebauung (ca.1260-1290)
    Periode 3: Errichtung der spätmittelalterlichen Burganlage (ca.1330/1340)
    Periode 4: Umbauphase, gekennzeichnet durch die Anlage eines Stützgewölbes vor der westlichen Ringmauer, einer Verstärkung vor der Nordostecke der Ringmauer sowie der Anlage einer umlaufenden, randständigen Innenbebauung mit Latrine und gepflastertem Stall (ca. 1400)
    Periode 5: Auflassung des Burggrabens (bald nach 1400)
    Periode 6: Systematische Aufgabe der Burg, einhergehend mit dem Abtragen der hölzernen Obergeschosse des Wohnturms (1437/38)
    Periode 7: Niederlegung der Ringmauer im Zuge des Aus- und Aufbaus des „Höllhammers“ (Ende 17. Jh.)
    Periode 8: Abtragen des Wohnturms (1851)
    Periode 9: Auflagerung der Sedimente des südlich anschließenden Weihers (ca.1995).
  2. Periode 3-6.
  3. Eine erste Vorstellung vom ursprünglichen Aussehen des Burgstalls „Mole“ gibt eine 2008 im Rahmen der Bachelor-Arbeit von Torsten Kroth am Institut für Medigenstaltung an der Hochschule Darmstadt – University of Applied Sciences gefertigte virtuelle Rekonstruktion (http://www.tokrox.de/tobo/index.php?option=com_content&view=article&id=22&Itemid=46). Sie bedarf insbesondere aufgrund der Grabungsergebnisse der zweiten Kampagne 2009 einer umfassenden Überarbeitung.
  4. Die Aufschüttung lässt sich durch die Ziegel und Backsteine datieren. Sie unterscheiden sich deutlich von der hochmittelalterlichen Zieglerware des Untermains aus hell brennendem Ton (Jüngling 2004, S. 121-122; Rosmanitz 2009, S. 279-280.
  5. Rosmanitz 2006, S. 60–61.
  6. Aufgrund der vergleichsweise kleinen archäologisch untersuchten Fläche können die Befunde nicht näher in ihrer Funktion angesprochen werden.
  7. Fehlende, genauer spezifizierende Befunde und Funde lassen leider keine funktionale Ansprache zu.
  8. Lutz 1992, S. 58-62.
  9. Eine eindeutige Zuordnung des Befundes gelänge erst bei vollständiger Freilegung des Burgplateaus. Als gesichert kann gelten, dass sich westlich des Wohnturms ein solcher Treppenaufgang nicht befunden haben kann. Hier hätte der Raum zwischen dem Wirtschaftsgebäuden und dem Wohnturm selbst für eine entsprechende Anlage nicht ausgereicht. Gleiches gilt für die Südwestecke des von der Ringmauer umschlossenen Areals.
  10. Im Graben vor der westlichen Ringmauer lagen dagegen so gut wie keine Ziegel, obwohl die Befundsituation hier Ähnliches wie nördlich des Burgstalls erwarten ließ. Demnach war möglicherweise nur ein Teil der Ringmauer mit einem Wehrgang versehen.
  11. Deutliche Entsprechungen im Fundinventar gibt es in der Verfüllung einer im Jahre 2009 im Museum der Stadt Miltenberg am Schnatterloch ergrabenen Latrine (Sauer 2009, S. 32-34).
  12. Die beiden Stützpfeiler setzten an der Fundamentunterkante der Ringmauer an. Die Steine ihrer Außenschale sind mit der Ringmauer auf einer Höhe von ca. einem Meter verzahnt. Fehlende Ansatzspuren oberhalb der Verzahnungsbereiche legen den Schluss nahe, dass die Stützpfeiler lediglich als vorgelagerte Fundamente gedacht waren und bei geflutetem Burggraben nicht zu sehen waren.
  13. Die beiden Hölzer – eine eicherne Spaltbohle und ein ebenfalls eichernes, zugespitzes Brett – wurden am Dendrochronologischen Labor des Instituts für Archäologie, Denkmalkunde und Kunstgeschichte der Otto-Friedrich-Universität Bamberg beprobt. In beiden Fällen konnten die Jahre 1395/96 als vermutliche Fälldaten ermittelt werden.
  14. Bork/Kranz 2008, S. 125–126.
  15. Meyer 2006.
  16. Im Bereich des Risses in der westlichen Ringmauer wurde die Außenseite auf einer 2009 untersuchten Höhe von 170cm mehr als 15cm nach Außen gedrückt.
  17. Bereits 2008 erwiesen sich dünne, in die Sedimente eingelagerte Sandbänder als großes Problem. Nach dem Abpumpen des Grundwassers schwemmten die Sande schnell aus und die stabilisierten Seitenwände stürzen in den Untersuchungsbereich. 2009 wurde die Situation noch dadurch erschwert, dass der Grundwasserspiegel aufgrund von starken Regenfälle trotz ständigem Abpumpens eher stieg als fiel. Schließlich mussten die Grabungsschnitte wesentlich kleiner dimensioniert als ursprünglich geplant per Hand auf die geologischen Straten abgeträuft werden. Aufgrund von Wassereinbrüchen erfolgte die Dokumentation unter großem Zeitdruck. Eine detaillierte Analyse der einzelnen Bau- und Verfüllungshorizonte war daher kaum möglich.
  18. Auch die Ausgräber hatten mit dem viskosen Schlick ihre rechte Not. Unter anderem verblieben mehrere Schuhe und Stiefel unwiederbringlich in den Tiefen des Morasts.
  19. Der Steinbruch war noch bis ins 19. Jahrhundert in Nutzung. Ein eindeutig mittelalterlicher Abbau ist aufgrund der rezenten Nutzung in Heimbuchenthal nicht mehr erkennbar.
  20. Der Nestor der Spessartgeologie, Jochim Lorenz aus Karlstein, analysierte 2009 einige der Abstich- und Schmiedeschlacken. Er konnte mit Hilfe von Anschliff- und Dünnschliffanalysen den Nachweis erbringen, dass die aus der Zeit um 1400 stammenden Schlacken im Zusammenhang mit einer wie auch immer gearteten Eisengewinnung stehen.
  21. Die Magerung von Ziegeln oder Backsteinen mit Abstichschlacke ist für das Elsavatal ein bislang einzigartiges Phänomen. Sie ist weder für zeitgenössische Funde vom Wasserschloss in Eschau-Sommerau noch von der Burg Wildenstein bei Eschau, noch für Eschau-Sommerau belegt.