Vom Hofgut zum Kloster zum Bildungsstützpunkt

Wo heute das Kloster Himmelthal liegt, bestand um 1200 ein Wirtschaftshof mit Mühle namens „Wolperg“. 1232 übergaben Graf Ludwig II. von Rieneck und seine Gemahlin, Adelheid geb. von Henneberg, dieses Gut samt aller Zugehörungen an den Würzburger Kanoniker Salomon und beauftragten ihn mit der Errichtung eines Zisterzienserinnenklosters. In einigen Texten wird von der Schenkung an die Zisterzienser gesprochen. Genauer Wortlaut der Quelle von Bedeutung. Dieser war wenige Jahre zuvor bereits an der Gründung des Klosters Schmerlenbach bei Hösbach beteiligt. 1233 wurde die Klosterstiftung, nun erstmals Valle Coeli (Tal des Himmels) genannt, vom Mainzer Erzbischof Siegfried III. von Eppstein (reg. 1230-1249) anerkannt und erhielt im Folgejahr die Bestätigungen von König Heinrich (VII.) und Papst Gregor IX. Zu diesem Zeitpunkt war bereits mit dem Bau der Klosterkirche begonnen worden. Der Konvent wurde mit allen Rechten und Privilegien eines Zisterzienserklosters ausgestattet, dem Orden jedoch nicht ein-, sondern nur angegliedert. Er war also nicht in die Verwaltungs- und Rechtsstrukturen des Ordens integriert, lebte aber nach dessen strengen Statuten und trug den weißen/grauen Ordenshabit.

Romanische Relikte aus der Zeit der Klostergründung

Die geistliche Aufsicht oblag dem Erzstift Mainz, die Vogtei (Schirmherrschaft) über ihre Gründung behielten sich die Rienecker selbst vor. Das gräfliche Stifterpaar, Ludwig II. und Adelheid, soll in Himmelthal begraben liegen, ihre Grabmäler sind jedoch nicht überliefert. Mit dem offiziell zum Seelenheil ihrer Familie und ihrer Freunde gestifteten Kloster verfolgten die Rienecker natürlich nicht nur religiöse Ziele. Die Lage am Eintritt der Elsava in die Mainebene eröffnete dem Grafenhaus neue Kontaktmöglichkeiten zu den dort einflussreichen Adelsfamilien und bildete einen strategischen Stützpunkt am westlichen Rand ihres Herrschaftsgebiets im Südwestspessart. Einige Hinweise sprechen nicht nur dafür, dass beträchtliche Teile dieses Herrschaftsgebiets erst über die Mitgift der hennebergischen Grafentochter Adelheid an Rieneck gelangten, sondern auch dafür, dass die Initiative für die Klostergründung von ihr ausgegangen sein könnte.

Konrad III. von Bickenbach († 1354), einer der größten Förderer Himmelthals, ließ sich in der Klosterkirche bestatten. Nachkolorierte Fotografie seines Epitaphs. Foto und Bearbeitung: Burglandschaft

Einer der größten Förderer Himmelthals: Konrad III. von Bickenbach († 1354)

Das Kloster blühte schon innerhalb weniger Jahre auf und erfreute sich regen Zuspruchs. Bereits 1243, nach gerade einmal zehn Jahren, konnte die Gründung des Klosters Lichtenstern bei Weinsberg mit der Entsendung von 12 Nonnen maßgeblich unterstützt werden. Der Himmelthaler Konvent setzte sich vornehmlich aus Töchtern des untermainischen Adels zusammen. Deren Familien, insbesondere die Herren von Bickenbach, von Fechenbach, von Riedern und die Schenken von Klingenberg, bedachten es wiederholt mit Schenkungen und einige ihrer Mitglieder wählten die Klosterkirche als Grablege. Auffälligerweise schienen die Rienecker über die politischen Vorteile hinaus kein besonderes Interesse an der Entwicklung ihres Klosters zu haben, denn sie gehörten weder zu dessen großen Förderern, noch trat jemals eine Grafentochter in den Konvent ein. Dennoch verfügte Himmelthal bis um 1400 über Besitz und Rechte in mehr als 80 Orten der näheren bis weiteren Umgebung.

Größere Bedeutung konnte das kleine Kloster allerdings nie erlangen. Wie viele andere Nonnenkonvente auch, begann im 15. Jahrhundert ein Niedergang, der sich in abnehmender Konventsgröße und Güterverkäufen äußerte. 1522 berief der zur Aufsicht berechtigte Abt des Klosters Seligenstadt Regina Truchsessin von Baldersheim aus Kloster Frauental bei Creglingen zur Verwalterin von Himmelthal – sie wurde später auch Äbtissin. Damit waren Reformbestrebungen verbunden, die durch die politisch instabile Situation der folgenden Jahrzehnte jedoch keine Wirkung entfalten konnten. Denn Himmelthal wurde wiederholt besetzt und verwüstet:

  • 1525 durch die aufständischen Bauern im Bauernkrieg
  • 1547 durch protestantische Truppen im Schmalkaldischen Krieg
  • 1552 durch ansbachische Truppen im Zweiten Markgrafenkrieg

Von diesen Katastrophen erholte sich das Kloster nicht mehr. Beim Tod der letzten „regulären“ Äbtissin, Anna Eisenbergerin, 1567 verblieb nur eine einzige Nonne, die im Folgejahr starb. Mit Anna Geupelin von Schöllkrippen, der Priorin des Klosters Schmerlenbach, wurde 1569 zwar wieder eine Äbtissin eingesetzt, sie blieb bis zu ihrem Tod 1601 jedoch einzige Insassin Himmelthals. Der Gebäudekomplex und die Wirtschaftsflächen wurden in dieser Zeit als erzbischöflicher „Kameralhof“ genutzt. Vermutlich wollte Erzbischof Daniel Brendel von Homburg (reg. 1555-1582) damit Begehrlichkeiten der protestantischen Grafen von Erbach abzuwehren. Als Erben der 1559 ausgestorbenen Grafen von Rieneck erhoben diese Ansprüche auf die Klostervogtei und versprachen sich bei einer Auflösung des Klosters wohl die Übernahme von Besitzungen.

An die Aschaffenburger Jesuitenkirche, erbaut 1619-21, sind die Gebäude des 1612 gegründeten Jesuitenkonvents angeschlossen. Heute beherbergt der Komplex zwei Museen. Foto: Burglandschaft

Die Aschaffenburger Jesuitenkirche

1595 wurden die Himmelthaler Güter dem Aschaffenburger Jesuitenkolleg zur Bewirtschaftung überlassen. 1626, wenige Jahre nachdem 1618 ein Vergleich mit den Grafen von Erbach zustande gekommen war, schenkte Erzbischof Johann Schweikard von Kronberg (reg. 1604-1626) das Kloster schließlich dem Orden. Es dauerte jedoch noch fast 100 Jahre bis zur Erneuerung des Gebäudekomplexes. Möglicherweise verzögerten die Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges und die anschließende politische Instabilität, etwa wegen der Hegemonialkriege Ludwigs XIV. von Frankreich, verhindert.

Erst ab 1713 erneuerten die Aschaffenburger Jesuiten das Kloster sukzessive bis 1761. Die neue Kirche, Kern des Konvents, wurde erst 1753 errichtet. Doch konnte der Orden diese gerade einmal 20 Jahre nutzen, denn 1773 wurde er aufgehoben.

 

Lage und Baustruktur

Das Kloster liegt auf einer von der Elsava auf der einen und dem Mühlbach auf der anderen Seite gebildeten Insel. Das Flusstal ist an dieser Stelle stark verengt: im Süden die Wendelshöhe, im Norden ein Bergsporn namens „Wolverich“ – hierin steckt noch der Name des alten Hofguts „Wolperg“. Nur wenige Hundert Meter weiter westlich öffnet sich die Mainebene. Das Kloster ist von dort jedoch nicht sichtbar, sondern hinter dem nördlichen Ausläufer der Wendelshöhe verborgen. Nicht einmal zum direkt benachbarten Rück besteht Sichtverbindung.

Herrschaftsmosaik um 1250 (vereinfacht): Im 13. Jahrhundert drangen die Grafen von Rieneck (gelb) nach Westen vor und bedrängten das Erzstift Mainz (rot). Das Gebiet um Eschau bildete ihren Herrschaftskern im Südwest-Spessart. Karte: Burglandschaft

Machtverhältnisse im Spessart um 1250

Die sehr speziellen Lagekriterien dürften für die Klostergründung ausschlaggebend gewesen sein. Zum einen eröffneten die Popularität des Zisterzienserordens und die Nähe zur Mainebene dem Rienecker Grafenhaus hervorragende Kontaktmöglichkeiten zu den dort einflussreichen Adelsfamilien, aus deren Töchtern sich der Himmelthaler Konvent schließlich zusammensetzte. Gleichzeitig erfüllte die geringe Sichtbarkeit des Standorts die dem Orden wichtige Voraussetzung der Abgeschiedenheit.
Zum anderen war es ein vorgeschobener Stützpunkt am südwestlichen Rand der Grafschaft, auf den die Rienecker als Klostervögte größten Zugriff und Einfluss behielten. Die sakrale Gründung provozierte dabei keinen Widerstand politischer Konkurrenten, allen voran des Mainzer Erzstifts. Das Kloster genoss sogar königlichen und päpstlichen Schutz. Der Ausbau oder gar die Befestigung des Hofs Wolperg wäre eine wesentlich provokativere Alternative gewesen. Doch auch dem Kloster blieb wohl keine Verkehrsbewegung zwischen Eschau (Spessart) und Elsenfeld (Main) verborgen, weder im Elsavatal noch auf den umliegenden Höhen. Und mit der rieneckischen Burg Wildenstein bei Eschau war das Verwaltungszentrum der Region nur wenige Kilometer entfernt.

Die in den Klostergebäuden noch vereinzelt vorhandene mittelalterliche Bausubstanz bezeugt, dass sich die Gesamtstruktur des Komplexes seit der Klostergründung im 13. Jahrhundert kaum verändert hat. Der barocke Kirchenneubau ist auf den Grundmauern der romanischen Vorgängerkirche errichtet worden, wie Mauerreste in der Sockelzone des Chors nachweisen. Daran schließt im Süden der langgezogene Ostflügel mit den ursprünglichen Wohnbereichen des Konvents an. Er enthält noch sehr viele mittelalterliche Bauteile. Insbesondere der Südgiebel mit dem spitzbogigen Maßwerkfenster im Obergeschoss – dahinter befand sich der Speisesaal (Refektorium) – ist fast komplett erhalten.

Von dort, der Südspitze, verläuft der Westflügel rund 150 Meter entlang des Mühlbachs in Richtung Nordwesten. Er besteht aus mehreren niedrigen Einzelgebäuden aus dem 18. und 19. Jahrhundert, darunter die Mühle und das Tor. Die Kleinteiligkeit weist ihn als Ökonomietrakt aus. Der innere Torbogen stammt noch aus der Gründungszeit des Klosters, sodass hier vermutlich seit jeher der Hauptzugang lag. Wahrscheinlich gründet der gesamte Westflügel auf älteren Fundamenten.

Das Haupttor im Westen des Klosters. Foto: Burglandschaft

Das Haupttor im Westen des Klosters

Bei der Erneuerung des Komplexes errichteten die Jesuiten auch mehrere Gebäude ohne mittelalterliche Vorläufer. So wurde an die Westseite der Kirche 1758 ein dreigeschossiges Gebäude zu Wohnzwecken angebaut. Besonders im Wirtschaftsbereich wurden neue Gebäude errichtet, etwa das Kelterhaus.

Die Nutzung der Wasserkraft und die umliegenden Weinberge machten den Klosterhof zu einem einträglichen Wirtschaftsbetrieb. Dafür waren jedoch die Nachteile des gegen natürliche wie menschliche Gefahren relativ ungeschützten Standorts in Kauf zu nehmen.

 

Literatur

Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (Hg.): Die Kunstdenkmäler von Unterfranken & Aschaffenburg 23. Bezirksamt Obernburg. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe München 1925, München 1981, S. 36-55.

Hans-Rudolf Bork / Annegret Kranz: Die Jahrtausendflut des Jahres 1342 prägt Deutschland. Neue Forschungsergebnisse aus dem Einzugsgebiet des Mains.
In: Jahresberichte der Wetterauischen Gesellschaft für die gesamte Naturkunde 158, 2008, Band 2, S. 119-129.

Wolfgang Brückner / Jürgen Lenssen: Himmelthal.
In: Zisterzienser in Franken. Das alte Bistum Würzburg und seine einstigen Zisterzen. Kirche, Kunst und Kultur in Franken 2, Würzburg 1991.

Wolfgang Hartmann: Das Magdalenenhochwasser von 1342 – eine Spurensuche im Elsavatal.
In: Spessart – Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft Spessart 2011, Heft 6, S. 14-19.

Eva Maria Schlicht: 750 Jahre Kloster Himmelthal, Miltenberg 1983.